Gelesen: Joshua Dysart (Author) and Alberto Ponticelli / Giulia Brusco (Artists) – “Goodnight Paradise”

Der Thrift-Shop in Chicago hat mir statt des bestellten einen anderen Comic zugeschickt und mit sehr professionellem amerikanischen Kundenservice sofort die Rückerstattung des Geldes veranlasst. Außerdem soll ich das Buch nicht lang zurückschicken, sondern einer Wohltätigkeitseinrichtung spenden. Jaha. Schon. Aber wenn ich ausnahmsweise mal was in die Hände kriege, das ich mir nicht selbst ausgesucht habe, will ich es vor der Charity lesen. Könnte ja eine großartige Entdeckung sein.

Ist es nicht.

„Goodnight Paradise“ liest sich vielmehr wie das Storyboard zu einem recht vorhersehbaren Vorabend-Fernsehkrimi. Kulisse ist das im Prozess der Gentrifizierung befindliche Venice Beach, der pazifische Ozean, verdreckte Straßen, glänzende Neubauten. Wie’s halt so ist, wenn es wo schön ist. Die handelnden Personen: Der Penner mit dem goldenen Herzen, sein entfremdeter Sohn, sein guter Penner-Kumpel mit dem Van und dem nahezu unerschöpflichen Biervorrat. Eine Latina-Polizistin mit einem corazón de oro sowie eine Handvoll austauschbarer Korrupt-Cops. Ein neureicher Tech-Richie-Rich, der für seine geldigen Bonzen-Buddies in seinem Haus in den Hügeln Pool-Parties mit nahezu unerschöpflichen Mengen an Alkohol, Drogen und frischem Mädchenfleisch schmeißt. Eine blonde Ausreißerin aus einem Fly-Over-State, die von einer schon „street-wisen“ junge Frau zu einer dieser Parties mitgenommen wird. Ihr schwuler schwarzer gemeinsamer Skateboard-Freund mit dem Käppi. Dessen BFF, der in bester Nazi-Tradition erzogene hakenkreuztätowierte Hart-wie-Kruppstahl-Zäh-wie-Leder-Blond-wie-Bardot Jung-Arier. Zwei sehr brutale Schläger, in den entsprechenden Filmen heißen solche Typen „Muscle“, hier “Doom and Pete”.

Was jetzt passiert, liegt auf der Hand, oder? Genau.

Ausreißerblondie kriegt auf der Party Roofies ins Glas und wird vergewaltigt (beinahe), Streetwisie filmt das. Am nächsten Tag liegt Blondie tot im Müll und Streetwisie ist auf der Flucht. Vor so ziemlich allen, weil jeder irgendwie verwickelt ist. Zum Schluss sind (fast) alle recht brutal zu Tode gekommen, auch Streetwisie ganz kurz vor knapp, beiiiinahe hätte sie den Absprung geschafft. Nur der alte Goldherzpenner ist übrig und verteilt das erpresste Geld, das keinem mehr nützt, wie seinerzeit Robin Hood unter den Hungrigen und Elenden ohne Obdach. Nebenher noch Klimakatastrophe, verschmutzter Ozean, lodernde Waldbrände und Rauchschwaden. Dann aber endlich: Aus.

Die Zeichnungen sind nicht über die Maßen gut, das Medium Comic, die Macht der Kombination aus Bild und Sprache wird nicht wirklich genutzt. Das Buch fühlt sich an wie etwas, in das man zufällig hineinzappt und dranbleibt, weil man doch wissen will, wie es ausgeht. Um es zehn Minuten später vergessen zu haben.

Freut euch. Ihr müsst das nicht lesen, weil ich es schon ohne Freude getan habe. Und freu dich erst recht, „Charity of my Choice“. “Goodnight Paradise” ist unterwegs.

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