Reiselektüre

Ich habs in diesen Ferien auf zweieinhalb Bücher gebracht (am dritten lese ich noch).

Das erste ist von Jesmyn Ward: “Sing, Unburied, Sing” (bereits auf Deutsch erschienen unter dem Titel “Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt”)

Ein ganz großes Buch. Ward erzählt die Geschichte vom Roadtrip einer sehr dysfunktionalen Familie durch den amerikanischen Süden, um Daddy nach seiner Haftstrafe aus dem Zuchthaus abzuholen aus drei Ich-Erzähler-Perspektiven. Aus der von Leonie, der jungen schwarzen Frau und Mutter zweier gemischtrassischer Kinder, die von ihrem Leben überfordert ist und nur dann kurze scheinbare Glücksmomente findet, wenn sie in Drogen flüchtet. Aus der von Jojo, dem Dreizehnjährigen, mit dem sie mit siebzehn ungewollt schwanger wurde und der mehr von seinen Großeltern als von ihr großgezogen wird. Jojo ist im wahrsten Sinne der Worte ein Herz und eine Seele mit seiner kleinen dreijährigen Schwester Kayla (die ihre Mutter, nach dem Vater, Michaela nennt), für deren Wohlergehen er die Verantwortung übernommen hat und steht auf der schwierigen Schwelle zum Erwachsenwerden. Die dritte Perspektive ist die von Richie, einem Jungen, der unter mysteriösen Umständen in demselben Zuchthaus ums Leben gekommen ist, als Pop, der Großvater dort einsaß und aus dem sie Michael nun abholen.

Ward schreibt eine sehr schwarze Sprache (ich habe keine Ahnung, wie man das ohne Mißklang ins Deutsche übetragen kann) und über Menschen, die keine Chance haben, ihrer kleinen und gemeinen Welt aus Rassismus, Armut und Unbildung zu entkommen, aber jede davon nützen. Als Literaturprofessorin kennt sie altes Testament und Odyssee und aus beidem finden sich Anklänge wieder, sie scheut auch nicht davor zurück, mystische Elemente einzusetzen. Mich hat das Buch sehr gefangen genommen. Es sollte gelesen werden.

 

Das zweite Buch ist von Paolo Bacigalupi, den ich schon oft empfohlen habe: “Tool of War” (kommt unter dem Titel “Tool” noch in diesem Monat auf Deutsch heraus). Die Geschichte von Tool, dem “Halbmann” aus menschlicher DNA und der diverser Raubtiere mit dem Ziel, den “Universal Soldier” zu erschaffen, spielt im Umfeld der distopischen “Drowned Cities” und der “Ship Breaker” (kann aber auch unabhängig davon gelesen werden) und behandelt die Auseinandersetzung mit dem Thema freier Wille im Rahmen einer spannungsgeladenen Sci-Fi-Story. Ganz andere Baustelle. Ganz anders gut. Unbedingt lesenswert.

 

Das dritte, an dem ich gerade noch kaue, ist Amy Waldmans “Der amerikanische Architekt” in der Übersetzung von Brigitte Walitzek. Es geht um das amerikanische Trauma 9/11. In Manhattan soll auf Ground Zero eine Gedenkstätte errichtet werden und die anonyme Ausschreibung gewinnt ein Architekt, mit dem nicht alle einverstanden sind. Das Buch behandelt das “Was nun?” und ich bin erst ca. in der Mitte und Ms. Waldman führt aktuell immer noch mehr neue Figuren ein. 100 Seiten gebe ich ihr noch.

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