Es begab sich aber zu der Zeit – eine Vorweihnachtsgeschichte aus Amerika

Ich bin bekanntlich ein empathischer Mensch und gerade jetzt im Dezember kann ich gar nicht anders und habe tiefes Mitgefühl mit den Amerikanern, denn je näher die „Happy Holidays“ rücken (Weihnachten traut sich ja keiner mehr sagen, denn es könnte jemaden treffen, der anderen oder keinen Göttern huldigt), desto schlimmer wird ihr Leben.

Erst müssen sie wochenlang jede Nacht ihre Grußkartenliste abarbeiten und nachdem die vielen Karten und Briefe endlich geschrieben sind, damit zum Postamt. Und zwar mindestens eine Stunde vor Schalteröffnung, weil da die Warteschlangen noch überschaubar kurz sind. Fast täglich schleppen die Kollegen zu Feierabend ein paar Amazonpackerl heim. Zuhause schinden sie sich mit lange Geschenkelisten, unter besonderer Berücksichtigung des aktuellen Beziehungszustandes zum potentiellen Gabenempfänger und Werthaftigkeit der vorjährigen Geschenke sowie Gegengeschenke und müssen mit den Päckchen für die Auswärtigen oder gar Ausländischen noch einmal bei der Post anstehen, wo die Mitarbeiter schon aus reiner Bosheit maximal einen Schalter besetzen, aber in Sichtweite der Anstehenden Beschäftigung mit anderen Dingen vortäuschen. Des weiteren sind Geschenke für Leute zu besorgen, die einem nie im Leben was zurückschenken, auf deren Wohlwollen man aber angewiesen ist, wie zum Beispiel “Teacher Gifts”. Schließlich Kopfzerbrechen und Konferenz mit gleichermaßen Betroffenen darüber, was bloß angemessen sei für den unterhalb des Mindestlohns bezahlten mexikanischen Gärtner oder die schwer ausgebeutete philippinische Kinderfrau. Nicht, daß die ihre Geldgeschenke womöglich unsinnig verprassen.

Frecherweise hat sich die Friseurin, bei der man schon vor Wochen einen Termin vereinbart hat, damit sie die Dame des Hauses fürs Weihnachtsfamilienharmoniephoto vor dem Kamin aufhübscht, eine Erkältung eingefangen und da steht Madame nun mit selbstondulierter Haarpracht vor dem eigens bestellten Profi-Photographen und grämt sich. Nicht zuletzt über die eigene Tochter, die “as seen on TV” bei Santa eine Puppe nach ihrem Ebenbild bestellt und das in ihrer Mutter Augen schlimmstmögliche “Selfie” als Vorlage wählt (http://bit.ly/1hQhfOQ). (Auf die Idee, dem Kinde den Wunsch nicht zu erfüllen, kommt sie nicht.)

Gebacken hat sie auch noch nicht! Bei den Mengen, die produziert werden müssen, für Schule, Kindergarten, Wohltätigkeitsbasare, Arbeitskollegen und Eigenbedarf, hält sich die kluge Hausfrau an Otis Spunkmeyer*. A bissele Convenience möcht’ auch in der Vorweihnachtzeit sein.

PajamagramDie Außendekoration sowie Besorgen, Aufstellen und Dekorieren des Weihnachtsbaums wird gerne dem Herrn des Hauses übertragen, selbstverständlich unter Aufsicht und Anleitung der Festwartin; ihre Domäne ist innerhalb der vier Wände und da kann es dann ganz schrecklich werden. Mit bewegungs- oder lichtaktivierten Blinkekunsthandwerkscheußlichkeiten, Singesantas, weihnachtlichem Besteck, Geschirr, Tisch- und Bettwäsche sowie korrekter Bekleidung für Vater, Mutter, Kind, Hund, Katze, Maus für den Weihnachtsmorgen, wo man traditionell im Schlafanzug Geschenkverpackungen aufreißt. (http://bit.ly/1bzXL8I)

Außerdem sind unzählige Weihnachtsfeiern zu besuchen, sich an Eggnog und schlimmsüßen Punschen dumm zu trinken und mehrere Weihnachtsdinners zu planen. Das heißt bestenfalls Lieferanten zu koordinieren, schlimmstenfalls die Filipina wegen unsachgemäßer Zubereitung zusammenzuscheißen. Daß die bucklige Verwandtschaft so kurz nach Thanksgiving schon wieder auf der Matte steht, obwohl man sich nach dem letzten Krach noch gar nicht wieder vertragen hat, ist nur noch das Tüpfelchen auf dem I.

Arme, arme Amerikaner!

Bin ich froh, daß ich dieses Getue schon seit Jahren nicht mehr mitmache. Ich habe ja sogar mit dem Autoradio einen Deal geschlossen: sobald auch nur das erste Weihnachtslied dudelt, schalte ich gnadenlos auf NPR um.

In diesem Sinne: Happy Holidays to one and all.

 

* Mit Otis Spunkmeyer hatte ich dieses Jahr auch schon zu tun. Das ist aber eine andere Geschichte, die in einem anderen Blogpost erzählt werden soll.

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