Neu im TV: Falsche Siebziger

Wenn mir die BBC nicht von neuen Fernsehsachen zum Anschauen schreibt, dann laß’ ich mir halt beim Kaffee trinken erzählen, dass “Falsche Siebziger” (Buch: Alex Liegl und Matthias Kiefersauer, Regie: der letztere) auf dem diesjährigen Münchner Fimfest Weltpremiere hatte und letzte Woche ín der ARD ausgestrahlt wurde. Letzte Woche? Das heißt: noch in der Mediathek.

Die Kritiker überschlagen sich mit Adjektiven wie rabenschwarz, skurril, makaber, lakonisch, schrullig, kauzig, unmoralisch, derb bajuwarisch, hintergründig, scharzhumorig (gibt es das überhaupt?), haarsträubend, schräg, tiefschwarz (also Hauptsache: Schwarz); der Film sei eine Screwball-Groteske, eine schwarze Provinzposse, einer jener dampfnudelnden Heimatfilme in Holzhüttenoptik aus dem Genre des frühneuzeitlichen Grobianismus… (bei der letzten Bewertung hatte der Kritiker der FAZ richtig Freude an seiner eigenen Schreibkunst und schießt dabei ein wenig übers Ziel hinaus).

Hallo? Was soll das? Jetzt sind all die schönen Wörter schon verbraucht, was soll ich denn noch schreiben?

Vielleicht eine kurze Inhaltsangabe von der Geschichte aus der bayerischen Provinz, wo der größte Arbeitgeber der Region zugemacht hat, wo die Jungen perspektivlos und die Alten zählebig sind. Wie ein äußerst skurriler (da, war auch schon weg, zefix!) Unfall zwei Senioren dahinrafft und wie die Nachkommen beim Verstecken der Leichen auf eine schon ebendort versteckte dritte stoßen und wie sich die junge Generation aus Notwehr (kriminelle Wiener) und Selbstschutz (falsches Testament, geänderter Bankpin, Hartz IV statt Opas Rente) dann zum Rentenbetrug mit passenden Doppelgängern verabredet. Und wie das alles sehr schön choreographiert aus dem Ruder läuft.

Könnte ich. Mach ich aber nicht. Inhaltsangaben haben die anderen auch schon zu Hauf geschrieben.

Ich beschränke mich auf Lob. Erst mal für Autoren, Regie und die ganze Schauspielerschar. Außerdem Einzellobe, weil sie gar so schön gespielt haben. Zum Beispiel Alex Liegl und die wunderbare Caroline Ebner als ein ganz furchtbar grünes Stadtflucht-Partnerlook-Paar mit unklarer Globetrottervergangenheit, die sich mit Eierlikör, Schaumküssen und Duzpflicht in die Dorfgemeinschaft einbringen. Ilse Neubauer als Berliner Alt-Diva (“da habe ich unter Kortner gespielt”), die sich ihre Rolle als böse Bayern-Mam erarbeitet. Gerhard Wittmann, mit dem schönsten Breaking Bad-Zitat von allen: jetzt, wo die Lackfabrik weg ist, macht er aus Geldnot bunte Pillen. Er mag aber nimmer, nicht etwa wegen moralischer Bedenken, sondern weil er Chemie als solche haßt. Gundi Ellert, die als falsche Anna erfährt, dass der Katholizismus ihrer Kusine (in deren Rolle sie zwecks Testamentänderung schlüpft) auch die durchaus fleischliche Liebe zum Herrn Hochwürden inkludiert und deren äußerst glaubhafte Entwicklung vom Fegefeuerangsthascherl zur Jetztoderniekriminellen dadurch sehr hübsch beschleunigt wird.

Eigentlich könnte ich für jede/n so eine Lieblingsszene finden. Mache ich aber nicht. Ich lasse sie den potentiellen Zuschauern zum Selbstentdecken übrig und lobe noch einmal alle Beteiligten: Schön is worn, gut habt’s es g’macht.

Wer heute Abend Zeit hat: ARD Mediathek, Falsche Siebziger. Spaß haben.

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