Neu zum Strömen: “Bad Monkey”

Die ersten fünf Folgen der insgesamt zehn sind auf Apple+ (Probeabo) schon verfügbar und machen sehr großen Spaß und Lust auf mehr. Die Serie mit Vince Vaughn als ehemaliger-Detective-jetzt-degradierter-Lebensmittelkontrolleur basiert auf einem Buch von Carl Hiaasen und rechnet, wie alle dessen Bücher und Kolumnen, mit der Gier ab, mit der Florida und seine Natur Immobilienspekulanten, Versicherungsbetrügern, Politikern und anderen Kriminellen ausgeliefert wird. Hauptsache, die Kohle stimmt.

Das Genre nennt sich, wie ich jüngst gelernt habe, “Crimedy”, das heißt, der Tenor des zugrundeliegenden Buches ist perfekt in bewegte Bilder umgesetzt, Florida erstrahlt in Art Deco und wer sich gut bösartig und lustig und nicht dumpf unterhalten will, ist mit dieser Serie gut bedient.

Rentenratgeber

Wenn man sich in einer Zeit, in der Mädchen noch Handarbeitsunterricht hatten und die Buben streng getrennt vom anderen Geschlecht im Werkunterricht im Umgang mit, genau, Werkzeug unterwiesen wurden, wenn man sich also in meiner Jugend “verknöpfte”, dann hatte man mit dem falschen Knopf im falschen Loch angefangen und das Ergebnis war schief. So unter die Leute zu gehen war nicht zulässig, weil die sonst denken könnten, man käme aus einem schlechten Elternhaus und man mußte von vorne anfangen.

Heutzutage neigen junge Menschen dazu, in Projektmeetings Themen mit einander zu verknöpfen und knöpfen schon auch einmal gerne an ihren vorigen Gesprächspunkt an. Die Bemerkung der älteren Teilnehmerin, dass der Gang über ihre Teppiche wahrscheinlich schmerzhaft wäre, tun sie als wunderlich ab.

Zeit wirds.

Mittelhochdeutsche Lautverschiebung

Sie habe heute, klagt die Kollegin, Rücken. Es sei aber schon wieder erträglicher, schließlich habe sie daran gedacht, ihr Kirchgangsäckchen mitzubringen.

Nach mehreren Nachfragen stellt sich heraus, dass ich das Heilmittel viel prosaischer als Kirschkernkissen kenne. Werde aber ihre Nuschelvariante übernehmen. Ist hübscher.

Neu auf Amazon Prime: “Perfekt verpasst”

“Nett” sei die Produktion, so die empfehlende Freundin und “sehr sympathisch” möchte ich hinzufügen. Die 8 Folgen à 30 Minuten lassen sich an einem Abend wegbingen und so ist das wohl auch gedacht; auf mehrere Sessions heruntergebrochen wär’s nix.

Man sollte sich nicht täuschen: auch wenn “Romcom” draufsteht, handelt es sich bei “Perfekt verpasst” um ein Drama. Zwei Menschen in ihren frühen Fünfzigern (sehr kongenial und überhaupt kein bißchen slapstickig verkörpert von Anke Engelke und Bastian Pastewka) stehen vor den Scherben ihrer Existenz. Nicht der materiellen, die ist gesichert, beide führen Einzelhandelsgeschäfte in einer mittelgroßen Universitätsstadt, sind in ein soziales Netz eingebunden und von außen betrachtet erfolgreich. Aber. Beider Lebenspläne sind vor kurzem in Rauch aufgegangen. Puff. Weg. Die Ehe frisch geschieden, die Kinder fast aus dem Haus beim einen, der Traum, als Autorin erfolgreich zu sein und weiter eine unverbindliche Beziehung mit erfüllendem Sex mit einem guten Freund zu führen bei der anderen.

Mitleidig sieht man zu, wie sie strampeln, gut gemeinte (und trotzdem oft hochgradig verletzende) Ratschläge befolgen und/oder ignorieren – sie führen das falsche Leben im vermeintlich richtigen und hinter der fröhlichen Fassade sitzt ganz dicht der andauernde Katzenjammer, ach was, wirkliches Leid.

Man verstehe mich nicht falsch: die Serie ist keine Comedy, kann aber komisch. Engelke und Pastewka (und der ganze gute Cast um sie herum) beherrschen das Timing, sie verraten ihre Figuren nicht ein einziges Mal. Autoren und Regie haben einen guten Job gemacht, gerade wenn sie alles, was bei beiden schiefgehen konnte, parallel zeigen. Sehr hübsch.

Ich prophezeihe, dass wir dergleichen in Zukunft mehr sehen werden. Es ist ja nicht leicht, alt zu werden. Genausowenig wie alt zu sein. Und darum werden auch zunehmend Geschichten über Menschen, die ganz normal alt sind und damit klar kommen gezeigt werden – nicht die Ausnahmen wie der sexy Schwerenöter mit 70+ oder die verbrecherjagende alte Jungfer.

Denn: wir sind Boomer. Und wir sind Legion.

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Nachtrag für Frau S. aus D.: nein, mir ist das Ende nicht zu schnell gekommen. Es war einfach jetzt an der Zeit und für mich ein guter Schluss. Ich hoffe bloß, sie kleben keine 2. Staffel dran. Das wäre übel.

Wiedergelesen: Becky Chambers – “The Long Way to a Small, Angry Planet”

Ich war seinerzeit ja schon sehr angetan von diesem ersten Band der vierteiligen Wayfairer-Trilogie (s. https://flockblog.de/?p=39435) und kann mich nur wiederholen: Gut geschriebene und recherchierte Wohlfühl-Sciene-Fiction, mit ordentlich Phantasie und etwas Linguistik angereichert oder, wie es das amerikanische Föjetong inzwischen zu bezeichnen beliebt: hopepunk.

Mir wurscht. Die Wayfairer-Trilogie kann man alle paar Jahre mit derselben Freude wie beim ersten Mal wiederlesen und das ist schon viel.

Winter is coming.