So, was haben wir denn hier? Einen Abenteuer-SciFi-Liebes-Outbreak-Gamer-KI-Mädchenermächtigungs-Briefroman (via e-mail) in einer Ausgabe des DTV-Verlags. Die Geschichte wird nicht direkt erzählt, sondern mittels Verhörprotokollen, Tagebucheinträgen, E-mails, Funkspruchaufzeichnungen und dergleichen (vulgo “Akten”); diese werden graphisch geschickt voneinander abgehoben. Sehr gut gemacht. Mein Favoriten sind die Flugbahnen und ganz besonders die atomare Explosion.
Um was geht es? Die jugendliche Heldin Kady ist süße siebzehn, schlank, sportlich, gutaussehend, war schon Brat, bevor Cardi B wußte, wie man das schreibt. Ein echt toughes cookie, die Kleine, und dabei auch noch so gescheit. Die volle IT-Nerdette. In gewissen Kreisen sicher eine Traumfrau: die einen wollen so sein wie sie, die anderen wollen sie haben. Die wichtigsten drei Männer in ihrem Leben sind Papa, der aber leider gerade auf einem anderen Planeten Dienst schiebt, ihr (Ex-)Freund – it’s complicated – Ezra und ihr Sensei und Mentor Bryan, asiatischer Abstammung und jeder Leibesübung abhold, weil: viel Leib. Außerdem Code-Gott. (Ja, genau wie man diese Typen aus Karikaturen kennt.)
Den jugendlichen Helden gibt Ezra Mason, gutaussehend, großgewachsen (und wahrscheinlich auch gutes Haar, das ist in den USA ein wichtiges Kriterium), Footballspieler, der die Ballspieluniform später gegen eine Top-Gun-Kampfpilotenuniform austauscht und – natürlich – nach kürzester Ausbildung ein begnadeter Flieger wird. Quasi: zeig mir die Sonne, Boyo. Mit ihm hat sie am Morgen der Zerstörung ihres Planeten Schluß gemacht.
Anschließend viel alles, mit viel scharf, 599 Seiten lang: Weltraumschlachten, atemberaubende Fluchten und sowas von knapp davonkommen, Einsatz von A- und B-Waffen, wobei unter anderem die Schiffs-KI beschädigt wird und zum HAL 9000* mutiert und ein großer Teil der Besatzung mit einer schlimmen Seuche infiziert, die sie zu blutrünstigen Monstern macht. Aber unsere Heroine kämpft, coded, was das Zeug hält und wird ständig besser, klettert über Server-Türme und -Kabel, kriecht durch alles, was so ein Raumschiff an Schächten hat und schafft es immer gerade noch so. Die “Erwachsenen”, also alle Autoritätspersonen, kommen gegen dieses eisenharte Persönchen nicht an und ihr nie auf die Schliche. Wie das so ist im wirklichen Leben und man im Kinderzimmer einen Starschnitt von Katniss Everdeen hängen hat.
Raffiniert gemacht. Hut ab. Das Buch ist hübsch. Sorgfältig ausgearbeitet, bis hin zu den Skizzen der Raumschiffe, den Countdown-Zählern, den unterschiedlichen Lay-Outs der Schriftstücke. Außerdem heldenhafte junge Menschen, die Papa und Mama lieben, aber cleverer sind als alle anderen Alten. Extra-Außerdem: ein Zuckerbonbonromantik-Schluß. Alles. Also alles, was ein Buch braucht, um ein “booktok”-Erfolg zu werden. (S. zum Beispiel hier: https://www.tiktok.com/@katsbooks/video/6921695774212361474). Es gibt dort noch viele booktoks mehr und genau da bin ich raus.
Noch eins: Ich habs auf Deutsch gelesen, kann also nicht sagen, wie es im englischen Original heißt, aber die Formulierung vom “Sternenlicht, das die Rückseite seiner/ihrer Augen küßt” kommt so oft vor, dass ich ein Brecheimerchen herbeigesehnt habe. Auch für Sätze wie diesen: “Wie gerne würde ich ihr sagen, dass es mir leidtut. Wie gerne würde ich diesen Kelch von ihr nehmen.” Welchen Kelch? Was wollen diese Leute und warum liest das niemand gegen? Manno!
Wir, Kady-Baby, sind miteinander fertig und die Bände 2 und 3 brauche ich nicht zu lesen. Ich werde vielmehr der GenZista, die mir das Buch empfohlen hat, eine Freude machen und ihr meinen ersten Band schenken. Denn sie hat ja recht: dafür 25 Euro vom Taschengeld auszugeben ist schon sehr viel. Mußt du nun nicht mehr, du gutes Kind.
* Für die, die Odyssee im Weltraum gerade nicht parat haben.