Mann! Mann! Mann!

Da will man weg von Jeff Bezos und den lokalen Buchhandel unterstützen und sucht ihn also auf, um den neuen Haas zu erwerben. Wird dort als erstes zum Ostertisch geschickt. Sieht sich gezwungen, zu spezifizieren. “Wolf Haas”. “Woholf Ha-as”. “Kurzschluss”. “Mit dem knatschgelben Einband”. Grad, dass man nicht die ISBN aufsagt.

“Ah, das”, erinnert sich der Buchhändler, das habe man an der Kasse stehen gehabt, bis sich die Leute beschwerten, wegen der verwaschenen Schrift. Das, merke ich an, wollte ich gar nicht wissen. Ich will nur ein Exemplar kaufen, nicht daran denken, wie einfach das bei Jeff Bezos geht und hier wieder raus. Man habe, so der Herr Händler, eines im Fenster, das werde er jetzt für mich holen. Verschwindet. Kommt nach ca. 10 Minuten wieder. Da, befindet er, sei ja wohl der Bestand falsch. Im Fenster sei es nämlich nicht, ob ich es denn inzwischen im Laden gefunden hätte. Es sei ja doch “recht auffällig”. Nein habe ich nicht und verbiete mir jeden weiteren Gedanken an Jeff Bezos.

Dann, sagt the Händler-Man und seufzt resigniert, dann werde er das Buch eben für mich bestellen. Am Samstag gegen Mittag könne ich es abholen. Aber nicht vor 11:30 Uhr und nur bis 12:30 Uhr, dann müsse auch ein Buchhändler einmal ein Recht auf ein Wochenende haben. Mich beschleicht das Gefühl, er erwartet, dass ich für die vielen Umstände, die ich ihm gemacht habe und noch mache, nun angemessen um Entschuldigung bitten sollte.

Ich hingegen denke, dass ich nunmehr den Hugendubel-Abschiedsgeschenk-Gutschein meiner Hunsrücker Kollegen einlösen und sowas von auf den lokalen Buchhandel pfeifen werde.

Tirili.

Gestern im Literaturhaus: Ein Abend mit Jens Bisky zu seinem jüngsten Buch “Die Entscheidung. Deutschland 1929 bis 1934”

Angenehm unaufgeregt von Niels Beintker (BR) moderiert, bespricht Bisky, warum Berlin eben nicht Weimar ist und analysiert den herrschenden Alarmismus sehr schön als “historische Analogien auf Speed”.

Das anwesende Publikum war offensichtlich ein sehr gebüldetes und nickte und brummte immer zustimmend, wenn Bisky es einmal wieder mit einem “Wie wir alle wissen…” dazu animierte. Schon schön, wenn das Bildungsbürgertum im eigenen Saft mariniert und wie man sich einig ist, wenn die “geschichtspädagogischen Glöckchen” läuten…

Ich habe wieder viel gelernt über eine Zeit, von der ich viel zu wissen glaube und noch viele Lücken zu fülllen habe und freue mich schon auf die Lektüre von Biskys Buch und das Abarbeiten seiner Literaturempfehlungen.

Gelesen: Tim O’Brien – “America Fantastica”

Ich weiß noch gar nicht genau, was ich da gelesen habe. Wild. Absurd. Fantastisch. Ein Road-Book (wenn es Road-Movies geben kann, dann gibt es auch Road-Books, Ende der Diskussion) in bester Tradition eines Geschichtenerzählers wie Mark Twain.

Amerika ist befallen. Von “mythomania”. Einem Phänomen, das Lügen, Betrügen, Schummeln, Falsch-Sein zur neuen Religion erhebt. Wobei, Religion ist schon wieder verkehrt. Zutreffender vielleicht: Regel. Fake News über “Wahrheit”. Ja, “Wahrheit” steht bewußt in Anführungszeichen.

O’Briens buntes Häuflein an conmen und -women, jeder und jede auf seine und ihre Weise der Wahrheit abhold und in unterschiedlichen Graden amoralisch stoßen wie Billardbälle an- und wieder auseinander. Jede Begegnung bizarrer als die nächste in diesem einen Jahr, in dem sich die Amerikaner Trump zum 45. Präsidenten wählen und dessen Unfähigkeit und Covid das Land verheeren.

Der Inhalt, in ganz kurz: ein Fast-Pulitzer-Preisträger heiratet die Prinzessinen-Tochter eines Industrie-Räuber-Barons. Es geht nicht gut aus und das Buch beginnt damit, dass er eine Bank überfällt. Und eine Geisel nimmt. Die er nicht mehr loskriegt…

und ab jetzt: selber lesen. Schön ist das nicht. Lohnt aber.

Für eine Handvoll Euro

(Man denke an eine nicht zu kleine Hand und Papiergeld.)

Jetzt bin ich seit fast zehn Jahren wieder in Deutschland, was sich unter anderem darin manifestiert, dass Personalausweis und Reisepass Ende April ablaufen. Weil ich ja ein vorausplanender Mensch bin, mache ich mich im Vorfeld kundig, wie denn die Verlängerung zu bewerkstelligen sei. Gar nicht, wie ich erfahre. Muss alles neu gemacht werden. Hmmm. Und wie? Ganz einfach. Bloß in einem der sechs Bürgerbüros München einen Termin vereinbaren, Ausweisdokument und aktuelle Passbilder mitbringen und schon ist es soweit (nach einer Bearbeitungszeit von vier bis acht Wochen).

Klingt wie die leichteste Übung, einen Termin online zu vereinbaren. Man glaube mir: das ist es nicht. Eine Verabredung im Bürgerbüro hat ungefähr die Qualität des Kaufs eines Adele-Tickets. Featuring Madonna. Und Taylor Swift. Tagelang den Zeigefinger hart auf dem Refresh-Knopf. Irgendwann klappt es. Und zwar gleich für den nächsten Vormittag und auch noch im nächstgelegenen “City government office”.

Es bleibt sogar noch komfortabel Zeit, vorher Fotos machen zu lassen. Kein Problem, auf dem Weg ist ein Drogeriemarkt. Knips und fertig. Nichts da. Die Fotografieranlage ist seit einer Woche kaputt und nein, auf der Website informiere man darüber nicht. Okay, wo dann? In einer anderen Filiale, drei U-Bahn-Stationen weiter? Dieses Mal bin ich klüger und rufe vorher an. Es handelt sich offensichtlich um eine Seuche, Maschin ebenfalls kaputt.

Mist, so langsam schmilzt mein Zeitpolster. Eigentlich will ich mit Sundar Pichai nichts mehr zu tun haben (von wegen “Don’t be evil”), aber ich frage jetzt den Google Mops – die kapitalistische Logik gebietet doch, dass sich Nimm-deine-Passfotos-gleich-mit-Geschäfte rund um das Kreisverwaltungsreferat ansiedeln, vor allem, weil dort die günstigen Automaten noch für ein paar Monate außer Betrieb sein werden. Seuche, ich sags ja.

Isso. Direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite. Fix fotografiert, fix drei Mal soviel bezahlt wie in der Drogerie, und schon bin ich im Wartebereich 03 und warte, dass meine online reservierte Nummer angezeigt wird. Wie angekündigt, muss ich trotz Termins eine Wartezeit einplanen. Ist aber erträglich, ich hab ein Buch mit und kaum erscheint die Nummer, geht alles ganz schnell. Ich habe es mit einer reizenden jungen Dame zu tun, in unter zehn Minuten habe ich mich ausgewiesen, ein Bild abgegeben, zwei Mal mit Zeigefinger und Daumen gedrückt, schon habe ich meine Abholnummern und die Rechnung in der Hand und verlasse die Behörde um gut 100 Euro ärmer.

Für die nächsten 10 Jahre kann ich meiner Ausweispflicht nun wieder nachkommen. Wenn die Bundesdruckerei der ihren genügt haben wird. Im Laufe der nächsten vier bis acht Wochen.

Gestern Abend im Hoftheater: David Berlinghof – “Wohlfühlprogramm”

Ja, richtig, ich war da schon mal, s. https://flockblog.de/?p=50112. Und nein, Herr Künstler, es ist nicht langweilig, ein zweites Mal zuzuschauen. Erstens habe ich mir, wie versprochen, Freunde mitgebracht, die zum ersten Mal in den Genuß kamen und zweitens lohnt das Programm immer noch.

Der Einstieg war vielleicht ein bissele steif, aber das hat sich spätestens ab der dritten Nummer verspielt, das Publikum war wieder so sehr und gerne dabei – Wohlfühlprogramm eben und die Wahrhaftigkeit, wenn Schiller und Arendt aufs Tapet kommen, berührt immer noch.

Wenn mir die Regie das nächste Mal früher Bescheid sagt, komme ich auch gerne mit noch mehr Freunden zum dritten Mal wieder.

Gelesen: Margaret Atwood – “Murder in the Dark”

Irgendwann in nicht zu ferner Zukunft werde ich mit Atwoods Gesamtwerk aufgeschlossen haben. Inzwischen muss ich schon weit in die Vergangenheit reichen, um noch Neues zu finden, wie jetzt mit dieser Sammlung aus den frühern Achtzigern. Und dann stellt sich heraus: so neu ist das nicht. Atwoods Gedanken treiben sie schon lange um. Gewalt. Sexismus. Die Zerstörung unserer Umwelt.

Schon damals, in diesen kurzen Vignetten, die sich teilweise lesen wie glasklare Beschreibungen von Alpträumen, gelingt ihr, was sie heute, mit vielen vielen Jahren Schreiberfahrung und -routine zur Meisterschaft gebracht hat: Grauen in wenige Worte zu fassen und es dann der Lächerlichkeit preiszugeben.

Lesen!

Fehlzündungen

Meine nunmehr Ex-Kollegin kennt sich aus bei Promi-Klatsch-und-Tratsch. Ganz besonders bei den Kaulitz-Brüdern und noch besonderer beim unglücklich in einen Ballermann verliebten Bill.

Sie ist nämlich, bestätigt sie inbrünstig, ein eingeschweißter Fan.

Nepper, Schlepper…

Die Tiefkühlpackung Fisch der Hausmarke meines Lebensmittelmarktes wiegt seit ehedem 250g, eine gute Portion, um davon satt zu werden. Heute Vormittag (!!) machte mich die Supermarktwerbestimme per Lautsprecher darauf aufmerksam, dass genau dieser Fisch heute im Angebot sei. In der XXL-Packung zu 220g. Der Preis dessen, was als Sonderangebot deklariert wird, ist fast zwei Euro höher als der frühere Normalpreis. Da, wo ich seinerzeit rechnen gelernt habe, sind 220 weniger als 250. Der Fisch ist also noch sehr viel teurer als früher, weil er nebenher auch noch Gewicht verloren hat.

Damit hört die Frechheit aber nicht auf. Das Gewicht der Packung, die ich jetzt in der Hand halte, wird mit 200g ausgewiesen. Weil ich jetzt schon sehr sauer bin und außerdem mehr Zeit habe als früher, halte ich einen der Ladenschwengel auf und erkundige mich nach der beworbenen 220g Packung? Die müsse wohl, befindet er, in der Sonderkühlung mit den Angeboten liegen und bevor ich die jetzt selber suche, bestehe ich auf seiner Begleitung. Drei. Genau drei 220g-Packungen liegen da. Da, konstatiert er, sei das Kontingent aus der Zentrale wohl recht klein gewesen. Außerdem sei der Fisch ja auch schon seit gestern im Angebot.

Meine Fresse! Alles teurer und die Kunden noch dazu für dumm verkaufen. Mir graut vor dem Ausgang dieser Wahl.

So haben wir nicht gewettet

Halloho, ihr Lärm-Gustel! Ich bin Rentière (bitte, Larousse, lass das die weibliche Form von Rentier (“Rentjee” gesprochen, nicht “Renn-Tier”, Mensch!) sein) und als solche befugt, den Wecker Wecker sein zu lassen und lang und ausführlich auszuschlafen.

Es mag sein, dass das bei euch, die ihr Wohnungen hier in der Anstalt renoviert, anders ist. Das ist aber kein Grund, mich vermittels des schalltragenden Betons, aus dem dieses Gebäude gegossen wurde, morgens um halb acht aus dem Bett zu schleifen, hämmern, bohren.

Wenn dergleichen Arbeiten schon sein müssen, dann bitte hinfort nachmittags. Viel besseres Karma. Versprochen. Doch, ich weiß sowas. Mein Totemtier ist eine Nachteule.

(Wieder-)Gelesen: Scott Snyder & Charles Soule – “Undiscovered Country”

Manche mögen sich erinnern, ich hatte von dieser Serie schon früher sehr begeistert berichtet (s. https://flockblog.de/?p=46721). Aus gegebenem Anlass (der fünfte Sammelband ist endlich erschienen) und weil ich jetzt Zeit für sowas habe, habe ich mich noch einmal von Anfang weg durch alle nunmehr fünf Bände gelesen und bin, soweit das möglich ist, noch mehr angetan, als ich es schon vorher war.

Worum es geht in kurz: Kluge Menschen beschäftigen sich mit dem, was aus den isolationistischen Staaten von Amerika hätte werden können und leiten daraus eine Entwicklung ab, die einem das kalte Grausen über den Rücken jagt. Erfreulicherweise ist die Graphic Novel Fiktion, möglicherweise aber bewegt sie sich bereits im Bereich Alternativer Fakten.

Ein Muss für die Dystopiker unter uns.