Gelesen: Louise Penny – „Still Life“

Meine viellesende Kusine hatte mir die Chief Inspector Gamache-Reihe schon vor langer Zeit ans Herz gelegt und nun habe ich am Wochenende den ersten Band gelesen.

Hmmm.

Im Wald nahe dem kleinen kanadischen Ort Three Pines wird die alte pensionierte Schulleiterin tot aufgefunden. CI Gamache und sein Team von der Sûreté du Québec ermitteln. Ms. Penny ist belesen, weiß viel über die franko-kanadische Geschichte und läßt ihre Leserschaft beiläufig mitlernen. Außerdem hat sie ein ganz großes Talent für unterschwellige Komik und davon, von gutem Essen zu erzählen. Das ist schön und macht Freude. Der Chief Inspector ist an ihren inzwischen verstorbenen Mann Michael angelehnt – und damit hatte ich ein Problem. Der Mann ist ein Heiliger. Ein Musterbild an Toleranz und Einfühlsamkeit, dennoch stark und determiniert und ging mir irgendwann gründlich auf den Senkel. Mir war die Figur zu edel, hilfreich und gut – ich hab meine Helden lieber mit Brüchen. Die Autorin spart nicht mit Andeutungen, dass es in der Vergangenheit einen Fall gegeben haben muss, der weitere Beförderungen verhinderte, aber das war wohl noch nicht das Buch für die Enthüllung – vielleicht kommt das noch und macht ihn dann spannender.

Außerdem wußte ich relativ früh, worauf die Geschichte hinausläuft. Ich glaube, ich bin einfach über die “Whodunits” drüber. Es ist dennoch ein lesenswerter Krimi.

Neu auf Amazon Prime: “Fallout”

Diese erste Staffel von “Fallout” (eine zweite ist schon in Auftrag) ist ein zum Fernsehereignis umgestaltetes Computerspiel, das, wenn man den Medien trauen darf, Gamer wie Neuschauer und das Föjetong rauf und runter begeistert. Sowas prüfe ich ja immer gerne selbst.

Ich werde nachfolgend hemmungslos spoilern. Wer sich davon den Spaß (?) nicht verderben lassen will, höre jetzt auf zu lesen.

Gegen die Prämisse ist schon mal nichts zu haben: auf das vom Kommunisten- wie Atomangst gleichermaßen geplagten Ideal-Amerika der Fünfziger Jahre (Autos mit Haifischflossen, Vorstadtmütter mit Betonfrisuren, mais-und milchgenährte Rotbackkinder) geht ein nuklearer Schlag nieder, der Unmengen Toter und verwüstete zerstörte kahle Landschaften und Städte hinterläßt (im besonderen Los Angeles) – doch halt. Der voraussorgende Megakonzern Vault-Tec Corporation hat Bunker gebaut und die, die Einlass fanden (käuflich, versteht sich), führen nun seit 200 Jahren unterirdisch ein Fünfziger-Jahre-Ideal-Amerika-Leben weiter. Dresscode: mehr oder minder körperbetont-sexy sitzenden blaue Overalls (man denke Tankwart) mit der Nummer des Vaults auf dem Rücken. Grauslig-gruslig-komisch. Sehr.

Regierungsform ist die seit ehedem bewährte Demokratur, Anführer der freien Unterwelt der seit Twin Peaks und Dune gut gealterte Kyle MacLachlan, darüber hinaus alleinerziehender Vater eines Sohnes sowie Lucys. An die Casting-Agentur dürfte folgende Anforderung für ihre Besetzung gestellt worden sein: wir brauchen eine vom Fach “Jugendliche Naive”. Hübsch, in der Art von klein-kompakt-niedlich, so eine, mit der man Pferde stehlen kann, Haare egal, das lösen wir in der Maske mit stets gut gewaschenen Perücken, gut aussehend im Pettycoatkleidchen, aber auch in Blau-Overall sowie Jeans, und, ganz wichtig: Basedow-Augen, weil sie die in der Rolle ständig noch weiter aufreißen muss, als es die Natur eh schon eingerichtet hat. Weil Ella Purnell fürs Staunenspielen außerdem ein Ooohhhh-Spitzmündchen mit aufgeworfenen Lippen liefern konnte, wurde die vorgesehene Affirmation “Okay” in ein “Okidoki” umgeschrieben. (Das nach sehr kurzer Zeit sehr sehr sehr nervt.)

Lucy will heiraten, weil man das Geblödel mit den Cousins ja nicht ewig weitertreiben kann (höhö) und auch mal an den Erhalt der Art denken muss. Für solche Zwecke wird Erbgut mit angeschlossenem Bräutigam aus einem Bunker nebenan beschafft. Und schon sind wir mitten in der Zeremonie und (“Okidoki”) der Hochzeitsnacht, aber dann… Dann ist der Bräutigam und seine ganze bucklige Verwandtschaft gar nicht von nebenan, sondern von oben. Von OBEN. Wo es doch nach der herrschenden Bunkerdoktrin gar kein oder wenn überhaupt, nur noch ein bißchen verseuchtes Restleben geben darf, weil sie doch dafür ausersehen sind die irgendwann wieder reine Erde neu zu bevölkern. Und zwar besser als je zuvor.

Kurz und gut, es kommt zum Kampf und vielen Toten, aber Lee Moldaver* (Sarita Choudhury), die böse (?) Anführerin der Raiders entkommt mit ihrer Bande. Und Lucys Vater als Geisel. Das geht natürlich gar nicht. Also klettert Lucy, wie es ihre Rolle als Jugendliche Naive gebietet, bunkergeboren und -indoktriniert, keine Ahnung von nichts, glubschäugig und spitzmäulig, durch die Luftschleuse (kennen wir aus jedem Raumschiff) an die Oberfläche und sucht nach Papa.

Zeit, die zweite Hauptfigur/den Sidekick (da sind sich die Macher nicht ganz einig) einzuführen. Einen Krieger mit dem schönen Arena-Sklaven-Namen Maximus (Aaron Moten). Ich weiß nicht, ob er auch im Computerspiel ein Schwarzer ist, in der dieszeitigen Verfilmung muss neben der weißen Hauptfigur eine mit einer anderen Hautfarbe auftreten. Punkt. Die Casting-Agentur war hier beauftragt, jemanden mit einer besonders ausdruckstarken Mimik zu finden, weil er die meiste Zeit in einer Rüstung steckt und man nur Teile seines Gesichtes durch das Schild sieht. Ich finde ja, Mimik ist manchmal auch nur ein anderes Wort für Grimassenschneiderei.

In immer derselben Rückblende lernen wir ein paar mal zu oft, dass, als Maximus noch mini war, er nach einem nuklearen Zerstörungsschlag auf Shady Sands (sehr hübscher Name der Nachfolgestadt von Los Angels) als armes Straßenwaisenstehlundbettelkind von der Bruderschaft aufgenommen wurde. Bei letzterer handelt es sich um einen Mucho-Macho-Kampfritterorden, dessen hierarchisches Gefälle, den Rekrutendrill und -mobbing man sich am besten in Filmen wie “Full Metal Jacket” anschaut. Von dort bricht er, der Knappe in dünner Uniform und leichter Bewaffnung mit seinem Ritter (dieser in einer Star-Wars-inspirierten Exoskelettroboterrüstung und Darth Vaders Stimme) zu einer Mission auf, die inzwischen auch Lucy und der Ghoul haben, nämlich “Bring Me the Head of Dr. Siggi Wilzig”.

Der Ghoul? Ja, weil die Geschichte im Westen Amerikas spielt, muss doch auch ein Westernelement rein. Und so ist der All-American-Cowboy-Darsteller und spätere Werbefigur von Vault-Tec von vor 200 Jahren (Walton Goggins) nunmehr wg. Strahlungsnebenwirkungen zum untersterblichen Kopfgeldjäger ohne Nase mutiert.

Damit der blogpost hier nicht zu einer Inhaltsangabe verkommt, kürze ich nunmehr ab. Die Wege dieser drei Protagonisten kreuzen sich mehrfach, bis sie schließlich mit dem Kopf des Wissenschaftlers und der darin implantierten Formel bei der Vigilantenfrau von oben eintreffen, die Lucys Vater als Geisel hält. Da erfahren wir dann, dass es bei Fallout weniger um die Quests geht, sondern vielmehr um knallharte Kapitalismuskritik. Nämlich.

Nun ja. Der Weg dahin ist anstrengend: wenn gerademal nicht blutig und mit tödlichem Ausgang gekämpft wird, dann werden mindestens Körperteile abgetrennt und in vielen Fällen auch wieder angepappt (nicht beim Forscherkopf und nicht bei der Ghoulnase) – ich bin nicht sicher, ob es an mir liegt oder an der schieren Menge – mir ist ziemlich früh der Spaß an diesen vielen Splatter-Kampfszenen vergangen.

Was aber nicht heißen soll, dass ich nicht doch einiges, ach, was sag ich, vieles, urkomisch gefunden habe. Zum Beispiel, dass Kakerlaken in der postnuklearen Zeit wie erwartet die Welt übernommen haben und ungefähr zur Größe von Cockerspaniels evolutioniert sind. Dann gibt es ein gar grauseliges Wasserwesen, dessen Giermaul innen überall mit Noppen überzogen ist und das, wenn man schon glaubt, ihm entkommen zu sein, seiner Beute auf seinen Darwin-Füßchen aus dem Wasser nachläuft. Und wem das nicht schon schön genug ist, der wisse, dass das Ungetüm in einem Farbton gehalten ist, wie 70er-Jahre-Aussteuer-“Sie”-Handtücher. Hach! Oder die Flagge der “New California Republic” mit dem doppelköpfigen Bären.

Und da wären wir auch schon bei Bildern, Spruchbändern, Plakaten… Ich bin der Streamingtechnik sehr zu Dank verbunden: so oft, wie ich zum Nachlesen angehalten habe. Hach! Gar nicht zu toppen ist der Soundtrack. Unschlagbar und unschlagbar komisch, wenn Schlager der Fünfziger Jahre wie “Orangecoloured Sky” den aufsteigenden Atompilz im Hintergrund eines Kindergeburtstags untermalen. Doch, da mußte ich schon ganz oft sehr lachen.

Sonst? Ich bin nicht ganz schlüssig in meinem Urteil. Es ist nicht viel mehr dran als an einer jeden anderen Feld-Wald-Wiesen-Dystopie. Nichts ist überraschend, nicht das Ödland, nicht von links nach rechts kullernde Tumbleweed-Bälle, nicht Zombies und Kannibalen, auch nicht kannibalistische Zombies, und noch nicht einmal, dass Auslöser des Ganzen eine Verschwörung des Großkapitals und perverser Wissenschaftler ist, fand ich wirklich verblüffend. Die Figurenentwicklung ist ab deren erstem Auftritt festgelegt und vorhersehbar. Und Splatter, Blut, zermatschte Köpfe, abgerissene Beine, Arme, Hände, dazu gallonenweise Kunstblut füllen zwar die Zeit, tun aber nichts für die Geschichte.

So. Wer bis dahin gelesen hat, entscheide nun selbst, ob er oder sie sich durch die acht Folgen schauen will. Ich kann weder empfehlen noch abraten.

* Wer mag, möge sich an einen Versuch der Entschlüsselung der Namen machen. Oder das Internet fragen. Es hilft, wenn man viel Zeit hat.

Aus dem Wortschöpfkessel

Der Bummel über den Basar in seinem orientalischen Urlaubsland, erzählt der Kollege, sei was ganz Tolles gewesen. Die Farben! Die vielen unterschiedlichen Gemüse und Früchte! Schmuck und Geschmeide! Stoffbahnen über Stoffbahnen! Taschen, Gürtel, Sandalen! Und das oleofaktische Erlebnis erst! Eine Reise wert. Echt! Da, empfiehlt er, müßte ich auch mal hin.

Mach ich. Bestimmt. Allein, um noch mehr schöne neue Wörter zu finden.

April, April

Wenn hagelt und schneit, ist doch klar, dass sie wieder übers Wetter schreibt.

So, dies vorausgeschickt möchte ich mitteilen, dass ich vorhin im Winterschlussverkauf (merkst du was, April?) einen warmen Wintermantel erstanden habe. “Nein danke, nicht einpacken. Ich lass ihn gleich an.”

Gelesen: Kimberly Brubaker Bradley – „The War That Saved My Life“

Die junge Ada haust mit ihrer Mutter, die unten im selben Haus im Pub und gelegentlich als Prosituierte arbeitet, und ihrem kleinen Bruder in einem ärmlichen Zimmer in einer ärmlichen Gegend im London der frühen Vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Wenn sie nicht gerade auf allen Vieren Dienstbotenarbeiten verrichtet, ist sie an ihren Stuhl am Fenster gefesselt und schaut dem Leben draußen zu, denn sie taugt nichts mit ihrem “schlechten Fuß” und nichts wäre ihrer Mutter peinlicher, als dass “die Leute” sie zu sehen bekommen.

Soweit zur Vorgeschichte, die schon grausig genug ist. Dann aber geschieht die Wendung: die Kinder Londons werden wegen zu erwartender Bombardierungen durch die Deutschen aufs Land verschickt und Ada, die – natürlich – auf keiner Liste steht, schafft es mit List und Tücke und unter großen Schmerzen, sich und ihren kleinen Bruder in einen der Züge zu schmuggeln. Auf “dem Land” angekommen, werden sie, die von keiner der dortigen Familien ausgewählt werden (Scheißgefühl, übrig gelassen zu sein), einer alleinstehenden Frau zugewiesen, die sich zwar auch sperrt, da sie schließlich keine Ahnung von Kindern habe, dann aber doch zur Rettung für Brüderchen und Schwesterchen wird. Außerdem: 1 Pony.

Wie das geschieht, wie Brubaker Bradley aus Adas Ich-Perspektive subtil zwischen den Zeilen nie Ausgesprochenes wissen läßt, und in sehr klaren Dialogen Informationen vermittelt, Psychologie, Geschichte und Empathie lehrt, das kann man auch als alter Erwachsener noch mit Gewinn lesen, selbst wenn das Buch eigentlich eher für “Young Adults” geschrieben ist. Ich habs an einem sonnigen Nachmittag weggeatmet und empfehle die Geschichte mit Freude weiter.

Es gibt eine Fortsetzung “The War I Finally Won”. Ich werde bei Gelegenheit berichten.

Frühjahrskollektion

Träume von Rosa, Mattgelb, Bleue, Hellgelb, Grellgelb, Blau, Lila, Pink, Blaßgelb, Rosé – alle Schattierungen, zwischendrin auch mal Frühlingsleuchtgrün.

Ich halte ja nix von Wind und Wetter, aber die Blütenteppiche, die sie ausgebreitet haben – die sind schon schön…